Anfang der 80er verhärteten sich ein letztes Mal der 'Kalte Krieg' und auch die Fronten zwischen sozialistischen Regierungen und Andersdenkenden. Dieses spürten Gruppen wie Punks in der DDR oder der ungarische Underground in Form von Überwachung und Zersetzungsversuchen durch die Geheimpolizei, die zu Beschlagnahmen und sogar Verhaftungen führten. Auch etablierte Bands fanden sich willkürlichen Zensurmassnahmen ausgesetzt. Dennoch wurde Kontrollapparat immer effektiver ausgehöhlt, bis er schließlich spätestens Ende der 80er Makulatur war.


Wichtige Bands/Stationen:

DDR:


Keks: Die Poppunk Band eckte nicht wegen Songinhalte, sondern wegen ihres eigenwilligen Erscheinungsbildes immer wieder bei der Plattenfirma Amiga (A) und beim Fernsehen an (B). 1985 führten Ausreiseanträge einiger Mitglieder und Bandimage zum inoffiziellem Verbot.

Super 8 Underground: Ab 1976 griffen junge Künstler/innen und Musiker/innen verstärkt zur Schmalfilmkamera (1), um ihre kreativen Visionen umzusetzen. Da sie sich bewußt von der Amateurfilmszene der DDR absetzen wollten, ersuchten sie nicht die notwendige Genehmigung, wodurch ihre Filmtätigkeit per gesetzlicher Definition illegal war (2, 3, 4). Super 8 bot auch alternative Ausdrucksmöglichkeiten, bspw. für die Malerin/Musikerin Cornelia Schleime, die Ausstellungsverbot hatte. (C)

Freygang: Die Blues-Punk-Band wurde 1977, 1983 und 1986 verboten (5, D), trat aber trotzdem regelmäßig auf. Neben Eigenkompositionen sind Lieder von Ton Steine Scherben (ihrerseits in der alten Bundesrepublik vom Radio boykottiert) wichtige Bestandteile des Repertoires. (E)

Airtramp: Die Jenaer Hardrockgruppe engagierte sich bei der kirchlichen Opposition und wurde politisch verfolgt. Nach Bandauflösung und Ausreise vieler Gruppenmitglieder in den Westen wurden Samizdat-Kassetten rege verbreitet. (6, F)

City: Von Citys preisgekrönter LP Casablanca wurden zwei Titel „gesperrt“: „Gute Gründe“ und „Halb und halb“.(7) Beim Auftritt bei der „Friedenswoche“ 1988 wurde der Band nahegelegt, „Halb und halb“ nicht zu spielen. Gespielt wurde der Titel nicht, sondern von Sänger Toni Krahl gesprochen vorgetragen. Die Fernsehaufzeichnung des City-Auftritts wurde - bis auf den Titel „z.B. Susann“ - nicht ausgestrahlt und gilt als verschollen. (G)

Angelika Weiz: 1989 wurde ihr Plattendebüt aufgrund ihrer ökologisch bewußten Neubearbeitung des Pionierliedes „Unsere Heimat“ zunächst nicht veröffentlicht. Erst nach Mauerfall konnte sie das Lied öffentlich aufführen. (H)

Ungarn:

Béla Balázs Studio: Seit 1961 war die staatliche geförderte Filmwerkstatt für Nachwuchsregisseure ein Freiraum für experimentelle und auch gesellschaftskritische Arbeiten. (8) Ab Ende der 70er entstanden Filme hier, die den Postpunk-Musikuntergrund dokumentierten und kongenial als Film- bzw. Videokunst in Szene gesetzt haben (I, 9). Außerdem konnten Bands, die sonst keine offiziellen Spielerlaubnis hatten, in diesen Aufnahmen gesehen werden, darunter Európa Kiadó (Europa-Verlag) und Vágtázó Halottkémek (Rasende Leichenbeschauer) und Kontroll Csoport (Kontrollgruppe). (J, K, L 10, 11)

Trabant: Diese Underground-Band hatte ebenfalls keine Spielerlaubnis. In vielen BBS-Arbeiten, aber auch in der Spielfilmproduktion Eszkimó asszony fázik-Kalt wie eine Eskimofrau zu sehen. (M)

CPg: Punkgruppe mit radikal anti-kommunistischen und anarchistischen Texten. Abkürzung steht Come On Punk Group, später Coitus Punk Group. Bereits der als pornografisch geltende Name eckte an. Ein Haßlied auf den als korrupt geltenden Hungaroton-Chef Péter Erdos (12) und ein Konzert, bei dem ein Huhn vom Publikum zerfetzt wurde führten dazu, dass die von III/III beobachtete Band (13) 1983 wegen Aufruf zum Staatsumsturz angeklagt wurde. Die Bandmitglieder erhielten Gefängnisstrafen.

Radiojournalistin und -moderatorin Zsuzsa Göczey spricht über Zensur und Selbstzensur in den Jahren unmittelbar vor der Wende. (N)