"Uns ist bereits bekannt, welche Art der utopischen Aufmerksamkeit durch Prohibition erzeugt werden kann." -János Sugár, ungarischer visueller Künstler "Es
darf in der Kunst keine Tabus geben." Künstlerischer Ausdruck im allgemeinen, Rockmusik und deren (audio-)visuelle Artikulation im besonderen, haben schon immer Verunsicherung bei den Herrschenden ausgelöst. Die Reaktionen reichten und reichen von Verleugnung, Vereinnahmungsbestrebungen bis zu Vernichtung des Steins des Anstosses. Letzteres kann durch Zensur, zunächst klassisch verstanden als Maßnahmen eines Gemeinwesens zur Unterdrückung von unerwünschten Äußerungen, gewährleistet werden. Dabei ist Zensur ein schillernder Sachverhalt, der viele Formen annehmen kann und auch mitunter als Kampfbegriff oder das 'Zensiertsein' gar als Gütezeichen verwendet werden. Diese Ausstellung bietet eine erste Annäherung an die Ausprägungen und Auswirkungen von Zensur anhand des anschaulichen Bereichs der audiovisuellen Präsentation von Rockmusik im Film, Fernsehen, Musikclip sowie deren ausschnittsweisen Wiedergabe im und Entwicklung neuartiger Visualisierungsformen fürs Internet. Vor allem populäre Musik war schon immer nicht nur ein Hör-, sondern auch ein Seherlebnis – und die Verbindung mit dem bewegten Bild entstammt dem alten Traum der Synästhesie, der Vermischung der Sinne. Potenziert sich dabei die Wirkung der Musik, wenn ohnehin provokante Texte visualisiert oder sonst unproblematische Songs mit tabubrechenden Bildern versehen werden? Oder schwächt die Bebilderung die Macht der Phantasie ab? Die Schwerpunktländer Ungarn und DDR/ Deutschland nach 1990 wurden aus mehreren Gründen gewählt: um Transformationsprozesse vom Sozialismus zum Postsozialismus anhand diesen konkreten Beispiels zu untersuchen, um das monolithische Bild des sogenannten „Ostblocks“ aufzubrechen, indem die DDR, eine starre, repressiven Gesellschaft des realexistierenden Sozialismus der dynamischeren und offeneren in Ungarn gegenübergestellt wird und um Werke zu präsentieren, die mitunter außerhalb ihres Produktionslandes noch nicht bzw. lange nicht mehr, selten oder gar nicht zu sehen waren. Vorgreifende und
nachträgliche Verbote, aberwitzige Eingriffe, Versuche der Neutralisierung
durch Vereinnahmung – das sind einige der Taktiken, derer sich
die Herrschenden, ob zentralistischer Einparteienstaat, streitbare Demokratie
oder entfesselter Kapitalismus bedient haben und bedienen, um unbequeme
Bilder und Töne zu unterdrücken. Dabei umfassen die Beweggründe
Machterhaltungstrieb, Intoleranz, Kommerzdenken und schlichtweg Angst.
Aber muß eine Gesellschaft wiederum nicht den inneren Frieden
gewährleisten, indem Äußerungen unterbunden werden,
die Minderheiten verletzen und schutzbedürftige Gruppen wie Jugendliche
in ihrer Entwicklung beeinträchtigen könnten? Wo hören
Jugendschutz und politische Korrektheit (im positiven Sinne, als Bewahrung
vor diskriminierenden Sprachmustern, 'hate speech' und Intoleranz) auf,
wo beginnt die Einschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit? Verhindern
medieneinschränkenden Maßnahmen wirklich bestimmte Ideen
oder werden dadurch erst bestimmte Künstler//innen oder Werke interessant,
die bei freier Verbreitung unter Umständen dem künstlerischen
Wettbewerb nicht standhalten könnten? Inwieweit sind Jugendschutz
und Zensur im Zeitalter des Internets überhaupt noch wirksam? Diese
Ausstellung möchte zum Nachdenken über diese Fragen anregen,
die tragischen, empörenden oder einfach absurden Maßnahmen
von Zensurbehörden darlegen, zeigen, wie Zensurmassnahmen mit List
und Mut umgangen werden konnten und (wieder-)sehenswerte Musikclips,
Filmausschnitte und Fernsehauftritte präsentieren. |